Einleitung
Unser schuleigenes Lesekonzept umfasst die Aufgabenschwerpunkte des Lehrplans, insbesondere das Erreichen der verschiedenen Kompetenzstufen, das die Zielsetzung aller Lesearbeit in den verschiedenen Jahrgangsstufen bildet.
Ein seit vielen Jahren wichtiger Bereich unserer Lesearbeit ist der Aufbau und der Erhalt der Lesemotivation, die, ergänzt durch ein möglichst unterstützend außerschulisches Leseumfeld, zu einer dauerhaften positiven Haltung zum Lesenim weitesten Sinne führen soll, auch außerschulisch.
Ein besonderer Schwerpunkt bildet die intensive Arbeit zur Verbesserung der Lesefertigkeiten und der Lesestrategien, die die Basis zum Erreichen der verschiedenen Lesekompetenzen bildet. Daher wird unter den Punkten 1 und 2 detailliert auf Schwierigkeiten, Diagnosemöglichkeiten und auf entsprechende Fördermaßnahmen eingegangen, die im Unterrichtsalltag relevant sind.
1. Zum Begriff der Lesekompetenz
Über Lesekompetenz zu verfügen bedeutet die Fähigkeit des Lesers selbstständig Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um das eigene Wissen weiterzuentwickeln. Es werden drei Kompetenzstufen unterschieden:
Kompetenzstufe 1:
- Erkennen und Wiedergeben explizit gegebener Informationen
Kompetenzstufe 2:
- Einfache Schlussfolgerungen ziehen, Vorstellungen bilden
Kompetenzstufe 3:
- a) Vorwissen aktivieren und mit dem Gelesenen verbinden, komplexe Schlussfolgerungen ziehen und begründen, das Gelesene interpretieren
- b) Inhalt und Sprache überprüfen und bewerten, den Verstehensprozess überwachen
Lesekompetenz in allen Kompetenzstufen bis zum 4. Schuljahr als Ziel anzustreben, ist ein sehr dynamischer Prozess, der nicht durch ein einmal aufgestelltes Lesekonzept zu erreichen ist, sondern sich in ständiger Auseinandersetzung und Entwicklung befindet.
Die Förderung der Lesekompetenz kann nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit weiteren Kompetenzen stattfinden. So müssen sich parallel die kognitiven Fähigkeiten, die emotionale Kompetenz, die Sprach-, Sozial-, Handlungs- und Methodenkompetenz weiterentwickeln. Ohne Lesekompetenz kann sich auch keine Medienkompetenz aufbauen. Da sich Lesen und Schreiben einander bedingen, beinhaltet die Förderung der Lesekompetenz auch immer die Förderung der Schreibkompetenz.
Eine konsequente Förderung der Lesekompetenz zeichnet sich durch eine systematische Verknüpfung der eingesetzten Methoden aus. Ein guter Leser verfügt über Lesestrategien, die er situationsangemessen flexibel einsetzen und deren Reichweite er einschätzen kann. Lesestrategien müssen im Deutschunterricht erarbeitet und trainiert werden, das unterstützende Üben ist jedoch auf alle weiteren Fächer auszudehnen, da Lesen und Verstehen zentrale Voraussetzungen für die Arbeit in allen Fächern ist.
2. Der Leselernprozess
Das Ineinandergreifen von Sehen, Hören und Sprechen steht im Zentrum des Lernprozesses. Die Fähigkeit Laute zu erkennen, zu differenzieren und das Verständnis für Schrift als Laut-Buchstaben-Beziehung bilden die Lesebasis.
2.1 Die einzelnen Leselernschritte
Da vielfältige Teilfertigkeiten zur Lesekompetenz führen, müssen die einzelnen Leselernschritte intensiv geübt und abgesichert werden.
2.1.1 Lautsynthese
– Zuordnung von Lauten und Buchstaben
– Dehnsprechen
– Erlesen von einfachen Wörtern
Für das Kind „einfache“ Wörter hängen von der Art der Buchstaben (Laute) ab, von der Länge des Wortes, der Folge der Buchstaben, der Kenntnis der Wortbedeutung und der Ähnlichkeit des Wortes mit seiner umgangssprachlichen Aussprache.
2.1.2 Syllabierendes Lesen / vom Wort zum Text
– Steigerung der Lesegeschwindigkeit durch Markieren der Silbenfuge
– Untergliedern von Wörtern durch Nutzung des Lesepfeils
– Übungen zum vorausschauenden (hypothesenbildenden) Lesen
2.1.3 Stilles Lesen
Am Anfang ist es notwendig, dass Kinder laut lesen, damit das gehörte Klangbild mit einem bekannten Wort assoziiert werden kann. Sobald Kinder die Silbe als Gliederung eines Wortes nutzen, erweist sich das laute Lesen als hinderlich, da die Sinnerfassung schneller als das Artikulieren möglich ist. Erst das stille Lesen führt zu einer weiteren Steigerung der Lesegeschwindigkeit.
2.2 Fähigkeiten und Ziele
Ein grundlegendes Ziel ist es, im Leselernprozess die Lesetechniken der Lautsynthese, des syllabierenden Lesens und der Sinnerfassung zu trainieren. Die damit einhergehende Steigerung des Lesetempos unterstützt die Entwicklung der Leselust, denn die Freude am Lesen wächst mit dem Können.
Am Ende des ersten Schuljahres sollten folgende Fähigkeiten erlernt sein:
- sichere Laut-Buchstaben-Zuordnung
- eine Buchstabenfolge in eine Lautfolge bringen
- Synthese auf Laut-, Wort- und Satzebene
- Sätze und einfache, kurze Texte sollten selbstständig und zunehmend sinnentnehmend gelesen werden.
2.3 Diagnose und Förderung im Leselernprozess
Schwierigkeiten beim Lesen entstehen auf Ebenen unterschiedlicher Komplexität und erfordern spezifische Diagnose- und Fördermaßnahmen.
Schwierigkeit:
- Geringe Ausbildung der phonologischen Bewusstheit
Diagnose:
Überprüfen der Fähigkeit Silben zu segmentieren, Reime zu erkennen, An- und Endlaute zu erkennen.
Förderung:
Ziel: Kinder müssen erkennen, dass gesprochene Wörter aus Lauten bestehen, denen Buchstaben zugeordnet sind, die sich zu geschriebenen Wörtern zusammensetzen lassen.
Maßnahmen:
Spiele und Übungen zum Reimen, Silbenzerlegen und -verbinden und Phonemdifferenzierung
Schwierigkeit:
- Mangelnde Merkfähigkeit von Buchstaben
Diagnose:
Überprüfung der Informationsaufnahme im visuellen und auditiven Bereich
Förderung der visuellen Wahrnehmung:
Ziel: Einprägen der Buchstabenformen
Maßnahmen:
Buchstaben fühlen, kneten, turnen, ablaufen, Sandschreiben, Mitsprechverse, Schaffen von Assoziationen („Sieht aus wie..“), Anlauttabelle, Koppelung mit Handzeichen/Lautgebärden
Förderung der auditiven Wahrnehmung:
Ziel: Diskriminierung der Laute
Maßnahmen:
deutliches Vorsprechen der einzelnen Laute (auch in Wörtern), Laute aus Wörtern heraushören, Wörter nach Gehör aufschreiben, Unterscheidung harter und weicher Laute
Schwierigkeit:
- Probleme in der Speicherung
Ziel:
Schaffen einer emotionalen Betroffenheit
Maßnahmen:
Buchstabenerlebnisse schaffen („P“ – Popcorn), alle Sinne ansprechen, Anlautspiele, Buchstabenturnen, u.ä.
Schwierigkeit:
- Das Zusammenlesen klappt nicht
a) Schwierigkeiten beim Verschmelzen von einzelnen Lauten zu einem Wort
Förderung:
Zusätzliche Übungen zur phonologischen Bewusstheit, Arbeit mit einfachen Silben
b) Schwierigkeit beim Segmentieren mehrsilbiger Wörter:
Förderung:
Übungen zur Silbengliederung: Namen klatschen, mit Rhythmusinstrumenten untermalen, Schläge zählen, Treppenspiel (jede Stufe eine Silbe), Silbengehen, Verbinden von Silben (Dominos, Memory, Puzzle), Zuordnen von Silbenbögen und Bild, Leseschieber benutzen, verschiedenfarbiges Aufschreiben von Silben in einem Wort.
Schwierigkeit:
- Ein Kind liest ohne den Sinn zu verstehen
a) durch Probleme, von der phonologischen Struktur eines Wortes zu der Bedeutungsentschlüsselung beim Lesen zu gelangen
Förderung:
Vom Kontext her Hypothesen bilden, wie das Wort heißen könnte; Robotersprache – gedehnt gelesene Wörter in Normalsprache umwandeln; Ratespiel zur Sinnerwartung ( M-Ma-Mam-Mama), Bild-Wort-Zuordnungen, Wortschatzübungen bes. bei sprachschwachen und Migranten- Kindern.
b) durch Schwierigkeiten zur Sinnentnahme von Sätzen
Diagnose: Stolperwörtertest, Lese-Malblätter, Fragen zum Text beantworten
Förderung:
Leichte, kurze Sätze wählen; Handlungs- und Malanweisungen lesen und ausführen lassen; Sätze sinnvoll ergänzen, verbinden.
3. Der weiterführende Leseunterricht
Der weiterführende Leseunterricht verfolgt das Ziel, die Lesefertigkeiten der Kinder so weit zu entwickeln, dass ein genießendes und interessengeleitetes Lesen zum Aufbau einer überdauernden Lesehaltung führt.
3.1 Lesefertigkeit und Leseverstehen
Es gibt eine Vielzahl von Lesestrategien, die das Leseverstehen unterstützen (siehe Anlage 1).
Diese werden teilweise schon im 1. Schuljahr, aufbauend vom 2. – 4. Schuljahr eingesetzt, in Klasse 2 und 3 ganz systematisch, im 4. Schuljahr dann teilweise verinnerlicht und automatisiert, um eine Erschließung von Texten zu ermöglichen. Die Leseverstehens-strategien werden dem jeweiligen Text (literarisch oder informativ) angepasst und sollten immer wieder in Reflexionsgesprächen aufgenommen werden („Wie kannst du möglichst schnell/sicher zu dem Ergebnis kommen?“) .
3.2 Fähigkeiten und Ziele
3.2.1 Training der Lesefertigkeit/des Leseverständnisses
– geübte Texte fließend und sinnentnehmend vortragen
– ungeübte Texte fließend sinnentnehmend vortragen
– bekannte Texte inhaltlich erschließen
– unbekannte Texte nach stillem Lesen inhaltlich erschließen
– Texte wiedergeben
– Zusammenhänge herstellen
– reflektieren und beurteilen
3.2.2 Training der Sprachkompetenz/ des Textverständnisses
– Erkennen der Hauptinformation des Textes
– Sachverhalte beschreiben
– Lernergebnisse geordnet festhalten
– Texte mit eigenen Worten wiedergeben / einen Kurzvortrag halten
– eigene Gedanken zu Texten entwickeln
– aus ähnlichen Aussagen die zutreffende ermitteln
– über Texte (Inhalte) diskutieren
– Texte auf Verständlichkeit und Wirkung überprüfen
3.3 Diagnose und Förderung im weiterführenden Leseunterricht
Schwierigkeit:
- Schwäche beim Erkennen von Wortuntergliederung / noch stark synthetisierendes Lesen / unzureichende Speicherung von abrufbereiten Wortbildern im Gedächtnis / ungenaues Lesen (Auslassen, Ersetzen, Hinzufügen von Buchstaben und Wörtern)
Diagnose:
Hamburger Leseprobe
Förderung:
Übungen zur Steigerung der visuellen Wortdetailauffassung; Übungen zum Speichern von häufig vorkommenden Wörtern; Übungen zum lautrichtigen und wortgenauen Lesen (Übungen mit Wortlisten – Markieren der Signalgruppen/ Vorgabe der Signalgruppe – möglichst viele passende Wörter suchen/ Blitzlesen, Unsinnwörter, Reimwörter lesen/ Texte in verschiedenen Schriften – mit „Klecksen“ lesen/ Satzschlangen lesen u.a.)
Schwierigkeit (bei stillem Lesen):
- Mangelnde Sinnerfassung durch geringe Lesegeschwindigkeit / fehlende Sinnerwartung / mangelnde Kenntnis der Wortbedeutungen / fehlende Fähigkeit zur Inhalts- und Bedeutungserschließung eines Textes
Diagnose:
Beantwortung von Fragen / Bearbeitung von Auswahlantworten, Stolperwörtertest
Förderung:
Übungen zur Steigerung des Lesetempos, Übungen zum Aufbau von Leseerwartung, Übung zur Wortschatzerweiterung, Übungen zum sinnerfassenden Lesen
Schwierigkeit (bei lautem Lesen):
- Mangelnde Sinnschrittgliederung / Hinweglesen über Satzzeichen / Lesepausen fehlen / keine bzw. falsche Betonung
Förderung:
Übungen zum klanggestaltenden Lesen (Erkennen von Redekernen, Einzeichnen von Lesepausen, usw.)
- Vortragen rhythmisch prägnanter Verse und Reime
- Begleiten von Gedichten mit Orff-Instrumenten
- Lesen mit verteilten Rollen
- Kassettenaufnahmen
4. Das schulische Leseumfeld
4.1 Klasseninterner Leseunterricht
4.1.1 Freie und gemeinsame Lesezeiten
In freien Lesezeiten können die SchülerInnen in einer gestalteten Leseumwelt im Klassenraum klasseninterne Büchersammlungen und möglichst vielseitige Leseangebote nutzen.
In einer entspannten Leseatmosphäre sollen sie ihre Vorlieben für bestimmte Textarten entdecken und zu einem „selbstvergessenen“ Lesen geführt werden. Gelesene Geschichten, Bücher und bearbeitetes Lesematerial können in Leseausweisen, Listen, Lesetagebücher u.ä.festgehalten werden. Lesetipps sollen für Mitschüler und Mitschülerinnen vorgetragen werden.
In gemeinsamen Lesezeiten werden -entsprechend der Kompetenzstufen- Textaussagen interpretiert, Schlussfolgerungen gezogen und begründet u.ä. (s. Punkt 1).
Besondere Bedeutung haben Wort- und Sachklärungen, die zu einer systematischen Erweiterung des Wortschatzes und des „inneren Lexikons“ (Weltwissen) führen. In Lesekonferenzen können in Kleingruppen Gespräche über Texte bzw. Textstellen geführt werden.
4.1.2 Gemeinsame Lektüre von Kinderbüchern
Bei der Auswahl von Büchern, die mit der Klasse gelesen werden, muss auf Themenvielfalt geachtet werden, so sollen z.B. auch Bücher mit „typischen“ Jungenthemen herangezogen werden. Differenzierende Angebote z.B. durch Textreduktion oder Partnerlesen müssen die unterschiedlichen Leseleistungen der Kinder berücksichtigt werden. Der Umgang mit Klassenlektüren soll der methodischen Vielfältigkeit eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts entsprechen und somit fächerübergreifendes Arbeiten fördern. Zu einem Thema können auch zeitgleich unterschiedliche Bücher in Gruppenarbeit gelesen werden.
Leseübungszeiten werden von Lesemüttern unterstützt. Das Verstehen des Inhalts von gelesenen Büchern kann mit Hilfe des PC-Programms „Antolin“ selbstständig überprüft werden.
4.1.3Vorleserituale
In der Klassengemeinschaft soll das Vorlesen in verschiedenen Formen seinen festen Platz finden (Lehrer liest vor, z.B. in der Frühstückspause; Wanderbuch; Ausschnitte aus den eigenen Lieblingsbüchern werden von Kindern vorgelesen).
4.1.4Weitere Möglichkeiten
– Vorlesen selbst verfasster Geschichten, aus Klassentagebüchern u.ä.
– Teilnahme am „ZEUS“ – Zeitungsprojekt
– Nutzen von Sachbücher zu den einzelnen Sachunterrichtsthemen
– Führen von Lesetagebüchern und Lesepässen
4.2 Klassenübergreifende Rituale
– Jede Klasse besucht regelmäßig die schuleigene „Schmökerzentrale“.
– Lesepatenschaften zwischen verschiedenen Klassenstufen ermöglichen gegenseitiges Vorlesen verschiedener Texte.
– Es werden Lesenächte oder -abende durchgeführt, bei denen Klassen in der Schule übernachten/ bzw. den Abend verbringen und bis in die Nacht/ den späten Abend lesen dürfen.
4.2.1 Nationaler Tag des Vorlesens
Seit 2007 nehmen wir als Schule am nationalen Tag des Vorlesens teil, der immer am 3. Freitag im November durchgeführt wird.
Ziel ist dabei das Wecken der Lesefreude, das eigene Vorlesen zu präsentieren und Spaß am Buch aufrecht zu erhalten.
Die Durchführung geschieht in enger Kooperation mit dem Team unserer „Schmökerzentrale“ und beinhaltet folgende Elemente:
Die Kinder der 2. Klassen gehen in ihre alten Kitas und lesen dort vor (Elternbegleitung)
Die 4. Klässler lesen den Erstklässern vor und umgekehrt, die dritten Klassen gehen in die umliegenden Altenheime und lesen unserern älteren Mitbürgern vor.
4.2.2 Plattdeutscher Vorlesewettbewerb
Seit dem Schuljahr 2004/05 gibt es eine Platt-AG, die von Mitgliedern des örtlichen Sprookvereins „Ohmen Hendrek“ geleitet und durchgeführt wird mit dem Ziel, das „Rhinberkse Platt“ als örtliche traditionelle Mundart weiter leben zu lassen.
Außerdem beteiligt sich die Schule am Plattdeutschen Vorlesewettbewerb, der auf Kreisebene ausgeschrieben wird, oder führt ihn in eigener Regie durch, sofern die externen Partner (RheinbergerSprookverein „Ohmen Hendrek“ ) zur Verfügung stehen.